Kreuzwegmeditation

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KREUZWEGMEDITATION FÜR GESCHIEDENE UND WIEDERVERHEIRATETE

1. Jesus wird zum Tod verurteilt

Du, Herr, wurdest unschuldig verurteilt. Wir hingegen sind nicht ganz ohne Schuld dazu verurteilt, nicht wieder kirchlich heiraten zu können. Wenn wir uns von der Kirche auch manchmal ungerechtfertigt „verurteilt“ fühlen, so gab es doch da und dort so etwas wie eigenes Dazutun, unsere Unzulänglichkeiten und Lieblosigkeiten. Gib uns, o Herr, die nötige Ehrlichkeit uns selbst gegenüber und bewahre uns vor Bitterkeit!

2. Jesus nimmt das schwere Kreuz auf seine Schultern

Du allein, Herr, weißt, wie schwer mein Kreuz häufig auf mir lastet. Du selbst hast dein Kreuz angenommen. Gib mir die Kraft und den Mut, dieses Kreuz, dem ich nicht entrinnen kann, jeden Morgen bewusst auf mich zu nehmen, meinen Kreuzweg als Geschiedene(r) und/oder Wiederverheiratete(r) ganz bewusst mit dir zu gehen!

3. Jesus fällt zum ersten Mal unter dem Kreuz

Auch ich drohe immer wieder unter meinem Kreuz zusammenzubrechen. Bitterkeit und Verzweiflung schlagen über mir zusammen, und ich meine, nicht mehr weitergehen zu können. Du, o Herrn bist wieder aufgestanden und weitergegangen. Welches Recht hätte ich da, liegen zu bleiben und aufzugeben?

4. Jesus begegnet seiner Mutter

Unsäglichen Kummer bedeutete es für deine Mutter Maria, dir auf deinem Kreuzweg zu begegnen. Deine Geduld im Leiden war ihr einziger Trost. Stärke, o Herr, auch meine Geduld, damit ich den Menschen um mich herum, die mich lieben, nicht allzu sehr das Herz schwer mache und sie nicht allzu sehr belaste mit meinen Problemen!

5. Simon von Kyrene hilft Jesus das Kreuz tragen

Immer wieder begegnen mir Menschen innerhalb der Kirche, die mich auf meinem Kreuzweg ein Stück begleiten, mit mir eine Weile mitgehen möchten. Manchmal will ich sie gar nicht wahrhaben, so groß sind mein Misstrauen, meine aufgehäuften Vorurteile. O Herr, mache mich hellhörig für diese Weggefährten, öffne mein verkrampftes Herz für sie, damit ich sie nicht von mir stoße, mich nicht mehr und mehr abkapsle oder mir gar einrede, niemand wolle mich mehr in der Kirche!

6. Veronika reicht Jesus das Schweißtuch

Du hast, o Herr, Veronika ein Bildnis deiner Züge hinterlassen. Auch ich sehne mich oft so sehr nach einem sichtbaren Zeichen deiner Nähe. Vermeine ich mich doch manchmal allzu fern von dir, obwohl ich weiß, dass du nie von meiner Seite weichst. Ich bitte dich, öffne meine Augen für die vielen kleinen Zeichen deiner Liebe und Nähe, die du mir immer wieder auf meinem Kreuzweg gewährst!

7. Jesus fällt zum zweiten Mal unter dem Kreuz

Manchmal gerate ich in Versuchung zu denken, meine Situation als Geschiedene(r) wäre ohnehin schon so verfahren, dass ich mich nicht mehr anstrengen müsste, nach deinen Geboten und den Gesetzen der Kirche zu leben. Ich darf nicht mehr kirchlich heiraten - ist es dann nicht egal, wie meine Beziehungen jetzt aussehen, ob ich sie überhaupt noch ernst nehme, häufig wechsle, ja überhaupt keine Verantwortung mehr übernehmen will? Lass mich, o Herr, solchen Vorspiegelungen widerstehen, so schwer es mir auch fällt, auf ein Weitergeben erlittenen Unrechtes zu verzichten; menschliche Beziehungen noch ernst zu nehmen, ja anderen zu vertrauen!

8. Jesus tröstet die weinenden Frauen

Du hast, o Herr, die weinenden Frauen gemahnt, über sich selbst und ihre Kinder zu klagen, anstatt über dich. Du willst keine sentimentale Christusfrömmigkeit, die den Nächsten, die Nöte des hier und jetzt leidenden Mitmenschen übersieht. Ich selbst weine vielleicht manchmal zuviel über mich und mein Schicksal, was mir an Kraft für die Aufgaben und menschlichen Verpflichtungen raubt, die mir jetzt gestellt sind. Ich bitte dich: Bewahre mich vor Selbstmitleid und lähmender Antriebslosigkeit!

9. Jesus fällt zum dritten Mal unter dem Kreuz

Am schwersten drohe ich zu stürzen, wenn mein Leid solche Ausmaße annimmt, dass mein Körper davon in Mitleidenschaft gezogen wird. Psychosomatische Beschwerden vieler Art, Angstneurosen und Einsamkeit treiben mich so sehr in die Nacht der Verzweiflung hinein, dass ich mich bedenkenlos an jeden Strohhalm klammere,
den ich zu fassen bekomme. Ich verirre mich immer mehr in der Meinung, nicht anders zu können, und vermag nur mehr auf deine grenzenlose Barmherzigkeit zu hoffen und dir entgegen zu schreien: Wirf du mir ein Halteseil zu und zieh mich heraus aus meinem Sumpf! Sei du der Baum, an dem ich mich wieder aufrichten und gesunden kann!

10. Jesus wird seiner Kleider beraubt

Auch ich habe schon erfahren, was es heißt, bloßgestellt zu werden: Vor einem zivilen oder diözesanen Gericht, wo ich Intimstes preisgeben und mein Scheitern eingestehen muss, vor meinen Angehörigen und Freunden, die mich verurteilen und meiden, vor einem Seelsorger, der mich nicht verstehen konnte. Gib mir die Kraft, diese nicht enden wollende Blöße zu ertragen im Bewusstsein, dass du mich stets aufs Neue mit Würde bekleidest, wenn ich mich dir aufrichtig zuwende!

11. Jesus wird ans Kreuz genagelt

Der Höhepunkt deines Leidens ist erreicht und du bist der Pein völlig ausgeliefert. Wenn mein Leid, so sehr es mich auch drückt, an deine Qualen nie heranreichen wird, empfinde ich mich doch zuweilen als mitgekreuzigt. Meine Lage erscheint mir ebenso ausweglos, immer wieder stoße ich an mein Gefesseltsein innerhalb der Kirche und leide stets aufs Neue darunter. Und anstatt auf dich zu sehen, werde ich mutlos. Verzeih, dass ich es nicht schaffe, es als Auszeichnung zu betrachten, mit dir gekreuzigt zu sein!

12. Jesus stirbt am Kreuz

Was könnte ich alles von deinen letzten Stunden am Kreuz lernen, öffnete ich mich dir viel mehr und ließe deinen Heiligen Geist ein in die tiefsten Gründe meines Inneren! Wie viel Trost und Sinngebung könnte ich daraus schöpfen! Kennst doch nur du meinen Durst nach Verständnis, nach Angenommensein, nach Versöhnung. Und du reichst mir nicht Essig oder Galle, sondern spendest mir stets aufs Neue deinen Trost, sendest mir Menschen, die sich meiner annehmen, und schickst mir immer wieder kleine Zeichen deiner ungebrochenen Liebe.
Am Höhepunkt deines Leidens vollbrachtest du das Allerschwerste und verziehst deinen Feinden, die dich erst kurz zuvor geschlagen und ans Kreuz genagelt hatten. Ich bitte dich: Verleihe mir den ehrlichen Willen und die Gnade, jene von Herzen zu verstehen, die mir so viel Leid zugefügt haben; die „Gerechten“ in der Kirche, die mich meiden und in ihrer Gerechtigkeit fast verzweifeln machen. Lass mich immer besser verstehen, dass die verzeihende Liebe in meiner Situation den einzigen Weg darstellt, dir wahrhaft nachzufolgen!

13. Jesus wird vom Kreuz herabgenommen und in den Schoß seiner Mutter gelegt

Dein Leiden ist zu Ende. Oft frage ich mich, wie lange ich diesen leidvollen Zustand der Uneinigkeit mit der Kirche noch aushalten kann und muss. Und du kennst meine Mutlosigkeit und die Versuchung, mich der Kirche zu entfremden, kirchenfeindlichen Medienberichten nur allzu gern Glauben zu schenken und gegen kirchliche Amtsträger mitzuschimpfen. Verzeih mir mein mangelndes Vertrauen in deine Treue, die auch mich nie vergisst und mir immer wieder die nötige Kraft spenden wird, durchzuhalten im täglichen Gebet, in
der Treue zu dir und der Kirche, die als dein geheimnisvoller Leib auch heute noch an vielen Stellen heftig blutet!

14. Jesus wird ins Grab gelegt

Dein heiliger Leib ruht im Grab, der Auferstehung entgegen. Schon in diesem Leben gönnst du mir immer wieder Zeiten des inneren Ausruhens, welche mich ahnen lassen, dass auch ich allmählich dem Ende allen Leidens entgegen gehe. Wie für dich der Ostermorgen naht, hast du auch mir Auferstehung und ewige Freude bei dir und in dir verheißen, welche in keinem Verhältnis zu meinen irdischen Leiden stehen wird. Darauf darf ich mich freuen, und in dieser Hoffnung lass mich von Herzen mit dir auf dem Ölberg sprechen: Nicht wie ich will, sondern wie DU willst!

(Irene Heise)


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